reizflut | OZM HAMMERBROOKLYN
reizflut, das ist eine Künstlergruppierung aus Hamburg, dessen Name nicht nur eine hohle Bezeichnung, sondern absolutes Programm ist. Die Combo, bestehend aus den beiden Freunden Jakob und Jakob realisiert visuelle “Reizüberflutungen” an Orten, denen man nicht sofort auf den ersten Blick ansieht, dass sie auch künstlerisch erscheinen können. So haben sie sich im OZM HAMMERBROOKLYN die Kellerräume ausgesucht, um das Unterbewusste des Exponats visuell in den Mittelpunkt zu stellen. Kennengelernt haben sich die beiden während ihres Studiums an der Hochschule für Gestaltung (BTK) in Hamburg-Altona. Seit dem Tag arbeiten sie zusammen als Team. Ihren Weg starteten sie im Musikvideo-Visual-Bereich. So entwerfen sie z. B. Projektionen für Clubs oder begleiten DJs visuell während ihrer Acts mit Mappings. Unter Mapping versteht man die exakt zugeordnete Projektion, die sich wie eine lebendige Schicht über eine vorhandene Oberflächenstruktur legt und den Betrachter*innen das Gefühl einer neu erschaffenen Realität vermittelt. Durch das Mapping werden die Grenzen der Wahrnehmung erweitert und Türen zu virtuellen Welten geöffnet.
Wesentliche Bestandteile in reizfluts Kunst, die auch ihren Einsatz im Exponat des OZMs finden, sind digitale Visuals. Um diese zu erschaffen, verwenden sie im Vorfeld analoge Kunstmittel, die größtenteils zu abstrakten Effekten führen. So benutzt reizflut des Öfteren verschiedene Farben, die sie z. B. über menschliche Köpfe oder auch andere Gegenstände fließen lassen und währenddessen diese Prozesse filmen. Die dabei entstanden Farbverläufe und eingearbeiteten Spiegelungen erinnern an die geometrischen Formen und Muster eines Kaleidoskops oder auch an die Bilder eines Rorschachtests. Außerdem spielt der Einsatz von Licht eine ganz entscheidende Rolle in ihrem künstlerischen Werk.
Fünf Kellerräume werden von den beiden Künstlern im OZM HAMMERBROOKLYN gestaltet. Hauptthemen sind neben dem Unterbewusstsein die Wahrnehmung eines jeden Einzelnen. In zwei Räumen finden Mappings statt. Im ersten von den beiden werden die Besucher*innen gescannt. Dieser Scan wird in ein Visual umgewandelt und veranschaulicht, wie das Gebäude die Besuchenden wahrnimmt. Im Anschluss wird diese Darstellung im Raum gemappt und wandert gleichzeitig als Impuls durch den Sehnerv in einen zweiten Mapping-Raum. Hier werden auch die Daten verarbeitet und in den sogenannten „Datenspeicherraum“, der aufgrund der steril wirkenden und mit Chromfarbe lackierten glänzenden Oberflächen sehr an ein Raumschiff von Star Wars erinnert, weitergeleitet. In den letzten zwei Räumen wird die menschliche Wahrnehmung ebenfalls durch Projektionen und Animationen auf die Probe gestellt sowie Ängste, die wir unterbewusst mit uns herum schleppen, thematisiert. Zudem findet eine Vertonung der Ausstellungsräume statt, die noch mehr Reize für die Besuchenden bereithält und es werden zwischendrin immer mal wieder Bilder hängen, die im Lentikulardruck einzelne Frames oder Fotografien aus reizfluts Musikvideos oder den Räumen des OZMs präsentieren.
In der Ausstellung ist nicht nur das Unterbewusstsein der Menschen relevant, sondern auch das des Gebäudes. Im Keller laufen einige entscheidende Elemente, die das Innenleben symbolisieren, zusammen. Hier finden sich sowohl die Hauptanschlüsse für Wasser, Strom, Wärme und Internet, als auch das der Antriebsmotor des ehemaligen Fahrstuhls an dieser Stelle zu finden ist. Dadurch, dass reizflut diese bekannten Bestandteile mit einbezieht und sie somit als ausstellungswürdig erachtet, scheinen sie dem Haus eine Struktur zu verleihen, die vorher unsichtbar war. Diese neue Struktur scheint allerdings auch sehr komplex. Vermögen es die beiden Künstler, diese ganz zu entblättern und die Besucher*innen sie ganz zu entschlüsseln?
Das Ausstellungskonzept von reizflut passt inhaltlich ideal ins OZM HAMMERBROOKLYN, da es einen Bogen, der sich über drei Ebenen aufbaut, spannt. So sind in der ersten Etage vom Künstler-Duo Sablage die elektrischen Impulse neuronaler Abläufe des Gehirns zu finden, während ein Stockwerk über dem Unterbewusstsein des Gebäudes sein Herz pulsiert.
Bei reizflut verbinden sich analoge Werkstoffe, die recycelt sind und die man aus dem Alltag kennt, mit digitaler Kunst, wodurch ein einzigartiger Mix und eine sehr eindringliche Installation entstanden ist, die sehr stark mit der Wahrnehmung der Menschen spielt. Besonders ist zudem, dass die Ausstellung leicht interaktiv ist. Das heißt, dass die Besucher*innen zum Teil mitwirken müssen, damit der Prozess starten und die Kunst sich ganz entfalten kann. Dafür haben die Betrachter*innen eine ganze Bandbreite, um Kunst zu erfahren, zu spüren und zu interpretieren.