MIR | Bon Voyage
Wie sähe die moderne Weltbevölkerung heute aus, hätten wir andere Rollenmuster und Machtstrukturen entstehen lassen? In welcher Welt und Gesellschaftsordnung lebten wir dann? Welchen Umgang pflegten wir untereinander und mit der Flora und Fauna?
MIR und Hieronymus Bosch, zwei stilistisch unterschiedlich arbeitende Künstler liefern uns mit ihren Bildern Darstellungen von Menschen, die uns schockieren sowie träumen lassen und die spannende Fragen aufwerfen.
In Boschs reiferen Werken wie dem dargestellten Triptychon Garten der Lüste, das zu einem seiner Hauptwerke gehört, entwickelt der Künstler maltechnisch eine einzigartige und teilweise makabre bildhafte Sprache mit starkem symbolischem Gehalt und voller Andeutungen. In diesem komplexen Bild fließen religiöse und ikonologische Traditionen unterschiedlichsten Ursprungs zusammen. Aber auch übernatürliche und esoterische Themengebiete werden vom Künstler aufgegriffen.
Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Triptychon, mittlere Tafel: Paradies, 220 x 195 cm, linke Tafel: Garten Eden und rechte Tafel: Musikalische Hölle, beide 220 x 97 cm, um 1490-1505, Öl auf Holz, Museo Nacional del Prado, Madrid
Boschs inszeniertes Gemälde präsentiert einen Faible der Renaissancezeit für originelle Konzepte und vielschichtige verschlüsselte Inhalte, deren gesamte Bedeutung nur einem eingeschränkten Publikum zugänglich sein konnte. Doch selbst jene, die seine Werke betrachten konnten, hatten Probleme damit, die Bilder des Künstlers gänzlich zu entschlüsseln. Und auch heute noch geben sie Kunsthistoriker*innen Rätsel auf.
Die Moral und Aussagen in Boschs Werken sind oft mehrdeutig. Doch spielen menschliche Makel wie Zorn, Torheit, Habgier, Wollust, Völlerei und andere eine bedeutsame Rolle. Oftmals ist es bei der Deutung von Kunstwerken hilfreich, die jeweilige Zeit, in der die Arbeit entstand, zu betrachten. Im Fall von Bosch ist es ein Zeitalter, in dem die Menschen an die Wirklichkeit des Teufels und der Hölle glaubten. Sie waren davon überzeugt, dass Satan in Erscheinung treten und ihm folgend das Jüngste Gericht in naher oder ferner Zukunft mit absoluter Sicherheit eintreten würde. Das Drama von menschlicher Sünde und Torheit war für Bosch und seine Zeitgenossen nur begreiflich als Ausdrucksform Luzifers und seiner Schergen, die ständig bemüht waren, die Menschheit hinters Licht zu führen. Einige Autoren berichteten, dass sich in der Welt bald die Prophezeiungen der Apokalypse erfüllen und somit Seuchen, Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen kommen würden.
Bosch nimmt in seinen Bildern aber auch am alltäglich Menschlichen Anteil. So äußert er sich gegenüber speziellen Ständen und Klassen ablehnend, kritisiert Betrüger (Der Gaukler), lasterhafte Mönche und Nonnen (Der Garten der Lüste), Kurpfuscher und ihre leichtgläubigen Opfer (Der Steinschneider) oder den gut situierten Mann, dem sein Vermögen wichtiger ist als seine Seele (Tod eines Geizhalses). Dies sind alles Themen, die man in damaligen Predigten, moralisch-didaktisch angelegten Sprichwörtern und Liedern sowie in satirischen Schriften behandelt findet. Die Erlösung der christlich Gläubigen sollte nicht außerhalb der Welt, sondern durch ein aufrichtiges Leben und ehrliche Arbeit schon in ihr erfolgen.